Eine Anmerkung vorweg:
Die Situation in der Ukraine ist grundsätzlich dergestalt als positiv zu bewerten, als die Entscheidung des Ökumenischen Patriarchates, ausschließlich der Wiederherstellung der historischen Wahrheit und Gerechtigkeit diente. Ungeachtet dessen, dass diese Entscheidung bereits der Schaffung einer einheitlichen kirchlichen Struktur förderlich war, wurde auch ohne explizite Erteilung des „Tomos“, die Situation innerhalb der Ukraine dahingehend befriedet, dass nunmehr grundsätzlich alle drei orthodoxen Kirchen gleichermaßen als kanonische Kirchen zu betrachten sind. Auf diese Weise wurde durch das Ökumenische Patriarchat ein gravierendes Hindernis beseitigt, das bislang dazu geeignet war, orthodoxe Gläubige innerhalb des Landes als „kanonisch“ oder „unkanonisch“, zu unterscheiden und somit zu trennen. Die einheitliche Auffassung sowohl der Kirchen, als auch der staatlichen Institutionen, erlauben es darauf zu hoffen, dass nunmehr in Folge dessen eine friedliche Klärung der kirchlichen Situation erreicht werden wird. Die im Westen propagierte Unterstellung, dass die angestrebte Vereinigung der Kirchen vornehmlich Wahlzwecken des Präsidenten, oder gar einer Nationalisierung der Kirche dienlich sein sollen, wird – mit Ausnahme der bekannten Gegner einer Vereinigung – von der Breite der Bevölkerung nicht getragen. Trotz vieler, in der Historie des Landes zugefügter Wunden, waren bis zum Zeitpunkt des Krieges im Osten der Ukraine und letztlich dann sogar der Annektion der Krim, gravierende Probleme mit Russland nicht zu verzeichnen. Allerdings dürfte es – nicht zuletzt aus dieser Sicht – verständlich sein, dass nunmehr, auch mit erneutem Blick auf die vergangenen Jahrhunderte der Unterdrückung durch den russischen Agressor, bei der Bevölkerung das nationale Bewusstsein und auch daraus erwachsender Patriotismus, durchaus als verständlich zu betrachten sind.
Darstellung in den Ausländischen Medien
Die Situation in der Ukraine wird aus dem Ausland und unter der Beeinflussung von Personen und Medien, die dem Moskauer Patriarchat nahe stehen, oder davon abhängig sind, vollkommen falsch beurteilt und es werden ein Fülle nahezu hysterischer Szenarien heraufbeschworen die Wirklichkeit werden sollten, falls das Ökumenische Patriarchat den Tomos erteilt. Es besteht nicht die geringste Veranlassung – alleine schon aufgrund der gesetzlichen Gegebenheiten in der Ukraine – den vom Moskauer Patriarchat heraufbeschworenen Sturm auf seine Kirchen und Klöster befürchten zu müssen. Was das Moskauer Patriarchat allerdings befürchten muss, ist der freiwillige Wechsel von Bischöfen, Priestern, Diakonen und vor allem auch Laien, in die neue Ukrainische Orthodoxe Kirche nach Erteilung des Tomos und dem vorab durchgeführten Landeskonzil zur Vereinigung.
Auswirkung auf Deutschland
Auf Deutschland hat es im Grunde genommen keine gravierenden Auswirkung mit Ausnahme dahingehend, dass unsere Geistlichen und Gemeinden nicht mehr als „unkanonisch“ verunglimpft werden können und sie nunmehr vollberechtigte Glieder der Gesamtorthodoxie sind. Dies auch dann, sollte das Moskauer Patriarchat – was anzunehmen ist – seine Polemik gegenüber der Ukrainischen Kirche und dem Ökumenischen Patriarchat fortsetzen. Für die in Deutschland über ca. 200.000 lebenden Ukrainer, vor allem aber für diejenigen, die bisher überwiegend aus großer Sorge, eventuell als „unkanonisch“ verurteilt zu werden, vornehmlich die Russische Orthodoxe Kirche besuchten, beinhaltet die Anerkennung durch das Ökumenische Patriarchat zudem eine befreiende Alternative. Auf diese Weise sind Beschränkungen hinsichtlich der Entfaltung des gemeindlichen Lebens, durch einen bislang stets geltend gemachten Verweis auf „Unkanonizität“, nicht mehr tragend und erlauben es den Gläubigen, sich nunmehr frei für jene Kirche zu entscheiden, die ihrem Herzen, ihrer Heimat und ihrer Kultur näher steht. Letztlich wiederum ist dies aber auch positiv und ausgleichend dahingehend zu bewerten, dass die vielfältige orthodoxe Gemeinschaft in Deutschland nicht mehr vornehmlich durch die Russische Orthodoxe Kirche dominiert werden wird.
Auswirkung auf den katholisch/evangelisch/orthodoxen Dialog
Auf den katholisch/evangelischen Dialog wird sich dies dahingehend auswirken, dass das Moskauer Patriarchat und hier speziell dessen Geistlichkeit, nicht mehr an Gremien und Veranstaltungen teilnehmen wird, bei denen Vertreter des Ökumenischen Patriarchates in Leitungsgremien, oder als Mitwirkende, sein werden. Ob sich dies auch auf Geistliche der Ukrainischen Kirche auswirken wird ist anzunehmen. Bei dieser Gelegenheit sei angemerkt, dass die Dialogbereitschaft des Moskauer Patriarchates ohnehin bezüglich seiner Aufrichtigkeit erheblich in Zweifel gezogen werden darf. Siehe die Anmerkung von Patriarchat Kirill, dass er bei seiner Teilnahme an römisch-katholischen Gottesdiensten zwar gebetet, aber niemals ein Bekenntnis abgelegt, oder die Kommunion empfangen habe, sondern stets für sich allein und nicht zusammen mit den Katholiken, für deren Bekehrung zur Orthodoxie gebetet habe.
Handlungspotentiale für die Religionsgemeinschaften
Es wäre überaus wünschenswert wenn sich die Repräsentanten sowohl der röm.-kath., wie auch der evang. Kirche Deutschlands, klar und unmissverständlich an die Seite des Ökumenischen Patriarchen stellen und die bisher geübte Praxis, es sich nur nicht mit dem Moskauer Patriarchat verderben zu wollen (wieso eigentlich?), am tatsächlich geltenden orthodoxen Kirchenrecht ausrichten würden, um daraus die notwendigen Konsequenzen zu ziehen und zu erkennen, dass das Moskauer Patriarchat, wirtschaftliche und machtpolitische Interessen stets vorziehend, offensichtlich auch jederzeit hemmungslos dazu bereit ist, nicht nur die Historie und das geltende Kirchenrecht, gnadenlos zu beugen, sondern damit auch bereitwillig den Auftrag Jesu Christi (Joh. 13, 34-35) zu verraten und mit Füssen zu treten.
Es wäre deshalb letztlich besonders zu begrüßen, wenn sowohl röm.-kath. wie auch evang. Kirche in Deutschland die Tatsache, dass das Moskauer Patriarchat aus vorstehend genannten Gründen seine Beziehung zum Ökumenischen Patriarchat getrennt hat, nicht anderes würdigt und bewertet, als dies der griech. orth. Metropolit Augustinos bereits mit dem Satz getan hat: „Wer rausgeht muss auch wieder reinkommen“.
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